Captatio Benevolentiae

Der lateinische Ausdruck captatio benevolentiae („Haschen nach Wohlwollen“) bezeichnet eine seit der Antike gebräuchliche rhetorische Figur.

Der Autor eines Textes wendet sich hierbei zu Anfang mit schmeichelhaften Worten direkt an seinen Leser und bittet diesen darum, das Folgende freundlich anzunehmen. In der antiken Praxis trat eine captatio benevolentiae besonders häufig im Zusammenhang mit dem gesprochenen Wort auf, etwa zu Beginn einer Rede oder eines Theaterstücks. Sie kann daher auch als eine elaborierte Form des „Um-Ruhe-Bittens“ gegenüber dem zuhörenden Publikum aufgefasst werden.

In weniger ausgefeilter Form gehören captatio-benevolentiae-artige Floskeln bis heute zum Standardrepertoire jeder Rede. Im Theater hielt sich noch lange die Tradition, der eigentlichen Bühnenhandlung einen Prolog voranzustellen, in ähnlicher Weise wendet sich der Autor von längeren Prosatexten gelegentlich zunächst an den „geneigten Leser“.

Im weiteren Sinne wird unter der Captatio Benevolentiae jegliche Form des Werbens um die Gunst des Publikums verstanden, insbesondere Anbiederung und Schmeichelei, weswegen der Schriftsteller Harry Rowohlt die vorzugsweise diesem Zweck dienenden eröffnenden Minuten seiner Autorenlesungen als „Anschleimphase“ apostrophierte.[1]

  1. Harry Rowohlt und Christian Maintz: Lieber Gott, Du bist der Boss, Amen, Dein Rhinozeros. Live in Barmbek. Kein & Aber Records 2009.

© MMXXIII Rich X Search. We shall prevail. All rights reserved. Rich X Search